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 RECHTSANWALT   OLAF LAMOTTKE

Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort

Die Verkehrsunfallflucht heißt juristisch korrekt gemäß § 142 StGB "unerlaubtes Entfernen vom Unfallort".


Sie betrifft alle Verkehrsteilnehmer, also neben Auto-. Lkw- und Motorradfahrer auch Fahrradfahrer und Fußgänger. Die Fahrerflucht ist ein Vorsatzdelikt. Dies bedeutet, dass man Kenntnis vom Unfall haben muss. Wenn man den Unfall nicht bemerkt hat, macht man sich (theoretisch) nicht gem. § 142 StGB strafbar. Entscheidend ist indes in diesen Fällen, ob die optische, akustische oder taktile Wahrnehmbarkeit dem Täter objektiv nachgewiesen werden kann (Sachverständigengutachten).



1. Der Gesetzestext lautet: 

§ 142 StGB Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort

(1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er

1. zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, daß er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat oder

2. eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne daß jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Nach Absatz 1 wird auch ein Unfallbeteiligter bestraft, der sich

1.nach Ablauf der Wartefrist (Absatz 1 Nr. 2) oder

2.berechtigt oder entschuldigt

vom Unfallort entfernt hat und die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht.

(3) Der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, genügt der Unfallbeteiligte, wenn er den Berechtigten (Absatz 1 Nr. 1) oder einer nahe gelegenen Polizeidienststelle mitteilt, daß er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er seine Anschrift, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeugs angibt und dieses zu unverzüglichen Feststellungen für eine ihm zumutbare Zeit zur Verfügung hält. Dies gilt nicht, wenn er durch sein Verhalten die Feststellungen absichtlich vereitelt.

(4) Das Gericht mildert in den Fällen der Absätze 1 und 2 die Strafe (§ 49 Abs. 1) oder kann von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Unfallbeteiligte innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach einem Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs, der ausschließlich nicht bedeutenden Sachschaden zur Folge hat, freiwillig die Feststellungen nachträglich ermöglicht (Absatz 3).      

(5) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann.

 

2. Ansatzpunkte für Verteidigung 


Mit Hilfe eines Rechtsanwalts besteht die Möglichkeit, den Tatvorwurf zu entkräften oder zumindest das Strafmaß zu verringern. Daher sollten Sie unbedingt einen Anwalt einschalten, wenn Sie wegen einer Verkehrsunfallflucht beschuldigt werden. Wenn Sie über eine Rechtsschutzversicherung für Verkehrsrecht verfügen, übernimmt diese in der Regel die Kosten für Ihre Verteidigung.


Für einen Rechtsanwalt bestehen zahlreiche Ansatzpunkte zur Verteidigung beim Vorwurf der Fahrerflucht beispielsweise:

 

  • kein Unfall: z.B. bei belanglosem Sach- oder Körperschaden  
  • kein öffentlicher Straßenverkehr: z.B. auf Privatgrundstücken
  • kein Unfallbeteiligter: z.B. Halter, der erst nach dem Unfall an der Unfallstelle hinzukommt  
  • kein Entfernen vom Unfallort: Erreichbarkeit des Unfallbeteiligten in der Nähe des Unfalls mit Wissen der feststellungsbereiten Personen 
  • kein Vorsatz: Unfallverursacher verläßt vor Ablauf der einer angemessenen Wartefrist den Unfallort  um den Geschädigten persönlich aufzusuchen
  • Irrtumsproblematik: z.B. Täter glaubt, es sei kein Schaden entstanden
  • Bemerkbarkeit des Unfalls: optisch, akustisch, taktil 
  • Schadenshöhe: Zu den Aufgaben des Strafverteidigers gehört es, die genaue Schadenshöhe am Unfallgegnerfahrzeug, die sehr wichtig für die Höhe des Strafmaßes ist,  kritisch zu hinterfragen. Mitunter sind in dem Kostenvoranschlag oder in das Sachverständigen-gutachten Altschäden einkalkuliert. Die Lack-Repair-Methode ermöglicht es zudem, Schäden preisgünstig für wenige hundert Euro reparieren zu lassen.


3. Welche Strafen drohen in der Regel?


Der Verdacht des unerlaubten Entfernens vom Unfallort birgt für den Fahrer erhebliche Risiken und Strafen wie nach-stehend:


Schaden          Strafe        Punkte  Fahrerlaubnisentzug           
unter  600 €      Geldauflage                            oft     (-)
unter 1.300 €    geringe Geldstrafe    2           bis zu 3 Monate          
höher 1.300 €   höhere Geldstrafe     3
     oft sofort!  6 -12 Monate



4. Führerscheinentzug bei Fahrerflucht: Kann man bei einer Unfallflucht den Führerschein verlieren?


Ja. Bei einer Verurteilung wegen Unfallflucht kann die Fahrerlaubnis entzogen werden und der Führerschein muss abgegeben werden. Voraussetzung hierfür ist die Feststellung des Gerichts, dass der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Ungeeignet ist man in der Regel dann, wenn bei der Unfallflucht eine Person nicht unerheblich verletzt wurde oder ein bedeutender Fremdschaden (ab 1.300,00 EUR - 1400,- EUR) entstanden ist. 


Oft übersieht die Staatsanwaltschaft oder das Gericht aber, dass es bei der Beurteilung des entstandenen Fremd-Sachschadens nicht auf die tatsächliche Höhe ankommt – eine Summe, die oft durch einen Kostenvoranschlag oder ein Sachverständigengutachten ermittelt wurde. Entscheidend ist nämlich, was der Beschuldigte erkennen konnte und nur wenn dieser wusste oder wissen konnte, dass ein bedeutender Schaden entstanden war, greift die Regelvermutung für dessen Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen. Abzustellen ist also auf die Schadens-höhe, wie sie sich aus der Perspektive des Beschuldigten darstellt. Nur wenn davon auszugehen ist, dass der Be-schuldigte erkennen konnte, dass er an einem Unfall beteiligt gewesen war, der zu einem Fremdschaden von mindestens 1.300 EUR geführt hat, kommt die Regelfolge des Fahrerlaubnisentzugs zum Tragen. 


Ein Indiz für die fehlende Erkennbarkeit, dass ein so hoher Fremdschaden verursacht worden war, ist insbesondere zu werten, wenn die den Unfall aufnehmende Polizei die Schadenshöhe schon geringer eingeschätzt hat. Es ist nicht anzunehmen, dass der Unfallbeteiligte mit einer höheren Schadenssumme rechnen musste, als sie die erste Einschätzung der Polizei ergeben hat. Maßgeblich ist außerdem der Zeitpunkt der Tat, das heißt der Moment, als er die Unfallstelle verließ. Wenn sich nachträglich in der Werkstatt ein höherer Schaden herausstellt, kann das nicht entscheidend sein.


5. Wirkt sich Reue immer strafmildernd aus?


Wer Unfallflucht begeht, aber anschließend Reue zeigt und den Unfall der Polizei meldet, kann auf Strafmilderung hoffen, wenn die nachträgliche Meldung innerhalb von 24 Stunden nach dem Unfall erfolgt und dieser nicht im fließenden Verkehr passiert ist. Zudem darf kein bedeutender Fremd-schaden (in der Regel mehr als 1400 Euro) entstanden sein und der Unfallgegner darf die Tat noch nicht entdeckt und gemeldet haben.

6. Was  Sie tun sollten, wenn die Polizei gegen Sie ermittelt!


(1) Wenn die Polizei bei Ihnen zu Hause  klingelt und Sie als Beschuldigter verdächtigt eine Unfallflucht begangen zu haben, sollten Sie von unbedingt Ihrem  Schweigerecht Gebrauch machen.  


Sie teilen daher den Polizisten mit:
"Ich mache von meinem Schweigerecht Gebrauch und werde mich ggfs. zu einem späteren Zeitpunkt schriftlich äußern. Bitte senden Sie mir Ihren Tatvorwurf schriftlich zu."
Alsdann beauftragen Sie sofort einen Fachanwalt für Verkehrsrecht mit Ihrer Vertretung  und Verteidigung. Dieser wird dann alles notwendige für Sie in die Wege leiten, insbesondere Akteneinsicht nehmen, um die Beweislage zu prüfen und eine Verteidigungstaktik zu bestimmen.
Merke: Wer als Beschuldigter vernommen werden soll muss nicht bei oder  vor der Polizei aussagen oder deren Fragen beantworten!!


Was Sie trotz Schweigerechts mitteilen müssen:  Auch wenn Sie das Recht haben, zu schweigen, müssen Sie grundsätzlich die Feststellung zu Ihrer Person und Ihrem Fahrzeug ermöglichen, also Ihre Personalien geben und sich ausweisen und das fragliche Fahrzeug besichtigen lassen. Zur Schuldfrage etc. und zur Person des Fahrers müssen Sie sich dagegen wie gesagt indes nicht äußern!

Wenn Sie von Ihrem Schweigerecht Gebrauch machen, darf das nicht als  Schuldgeständnis gewertet werden, sondern Ihnen muß die Tat mit zulässigen Beweismitteln erst einmal eindeutig nachgewiesen werden. Denn nur weil Ihnen das Fahrzeug gehört, müssen Sie z.B. nicht automatisch der Fahrer des Fahrzeuges gewesen sein oder selbst wenn Sie Fahrzeugführer waren, müssen Sie nicht den Unfall bemerkt haben.


(2) Wenn die Polizei bei Ihnen zu Hause  klingelt und Sie als Halter oder sonstiger Zeuge Angaben zum Fahrer machen sollen, der aber ein naher Verwandter von Ihnen ist, sollten Sie von unbedingt Ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen.  


Sie teilen daher den Polizisten mit:
"Ich mache von meinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch."

Als Ehegatte, Lebenspartner/in, Verlobte/r, naher Angehörige/r eines Beschuldigten haben Sie ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 StPO. Zeugnisverweigerungsrecht bedeutet, dass Sie gar nichts sagen müssen.


§ 52 StPO lautet:
Zeugnisverweigerungsrecht der Angehörigen des Beschuldigten
(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt
1. der Verlobte des Beschuldigten;
2. der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a. der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3. wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.


7. Was gilt bei Unfallflucht in der Probezeit?


Eine Unfallflucht in der Probezeit stellt einen sogenannten A-Verstoß dar und hat grundsätzlich harte Konsequenzen für die Probezeit. Bei einer rechtskräftig festgestellten Unfallflucht verlängert sich die Probezeit um zwei weitere Jahre, also somit auf insgesamt vier Jahre. Dazu ordnet die zuständige Behörde ein Aufbauseminar an.


8. Sind Sie selbst das Opfer einer Fahrerflucht?

Wenn Ihr Fahrzeug beschädigt wurde, informieren Sie als erstes die Polizei. Eventuell hat der Verursacher den Schaden bereits gemeldet, und die Polizei hat Sie nur noch nicht informiert. Andernfalls können Sie direkt Strafanzeige erstatten. Hilfreich ist es auch, wenn Sie den Unfallort sowie den Schaden an Ort und Stelle fotografieren. Notieren Sie sich Ort/Parkplatz und Uhrzeit ganz genau. Fragen Sie eventuell auch Anwohner oder  Geschäftsinhaber, ob sie etwas gesehen haben. Spuren des anderen Fahrzeugs an ihrem Auto, etwa Glas- oder Plastiksplitter oder Lackspuren, können ebenfalls bei der Suche nach dem Täter helfen und werden von der Spurensicherung der Polizei aufgenommen. Wird der Verursacher ausfindig gemacht, muss er für den Schaden aufkommen. Andernfalls kommt – wenn vorhanden – ihre Kaskoversicherung für den Schaden auf. Die Vollkasko zahlt dann alle Beschädigungen, die Teilkasko nur solche am Glas. Allerdings müssen Sie bei der Regulierung über Ihre Vollkasko damit rechnen, dass sich ihr Schadensfreiheitsrabatt reduziert.


9. Wie viele Punkte erhält man bei einer Fahrerflucht?


Die Unfallflucht stellt eine Straftat dar. Eine rechtskräftige Verurteilung wird im Flensburger Fahreignungsregister eingetragen. Die Unfallflucht wird dabei mit drei Punkten bewertet. Nähere Einzelheiten finden sich in der Anlage 13 zu § 40 der Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV.

10. Aktuelle Urteile


11. Kann eine Fahrerflucht verjähren?


Ja. Wie alle Straftaten unterliegt auch die Unfallflucht nach 

§ 142 im StGB den Verjährungsregeln. Die Verjährungsfristen sind in § 78 Strafgesetzbuch geregelt.  Die Dauer der Verjährungsfrist ist grundsätzlich an das Strafmaß gekoppelt. Im Fall der Unfallflucht beträgt die Verjährungsfrist mindestens 5 Jahre. Die Verjährung beginnt, sobald die Tat beendet ist.


12. Bezahlt die Kfz-Haftpflichtversicherung trotz meiner Unfallflucht den Geschädigten?


Nach einem Verkehrsunfall treffen den Unfallbeteiligten die sogenannten Obliegenheiten nach den Allgemeinen Kraftfahrtbedingungen (AKB). Der Versicherungsnehmer muss den Versicherungsfall binnen einer Woche bei der Versicherung anzeigen (Schadenanzeigepflicht). Ver-letzungen der Schadenmeldepflicht und der Schaden-aufklärungspflicht können eine Obliegenheitsverletzung darstellen, die zur Leistungsfreiheit des Versicherers führen kann. Die Versicherung zahlt dann zwar im Außenverhältnis, d.h. der Geschädigte bekommt seinen Schaden ersetzt. Im Innenverhältnis fordert der Versicherer von seinem Ver-sicherungsnehmer bzw. dem Fahrer das Geld zurück (Regress). Die Höhe des Regresses ist auf eine bestimmte Summe beschränkt, die sich aus den Allgemeinen Kraftfahrtbedingungen ergibt.


13. Fahrerflucht bei Bagatellschaden (zB. Parkschaden)?


Bei der Unfallflucht spielen zwei Wertgrenzen eine Rolle: Ein völlig belangloser Schaden unterhalb von 25,00 EUR kann keine Verurteilung wegen § 142 StGB auslösen. Doch bereits bei kleineren Blechschäden wird diese Grenze in der Regel schnell überschritten. Darüber hinaus spielt die Schadenhöhe eine Rolle bei der Frage des Führerscheinentzugs (siehe vorangehende Frage). Bei einem bedeutenden Fremd-schaden kann die Fahrerlaubnis entzogen werden. Die Wertgrenze liegt bei etwa 1.300,00 EUR.


14. Was passiert eigentlich, wenn der Unfall vom Fahrer gar nicht bemerkt wurde?


Eine Verurteilung wegen Unfallflucht setzt voraus, dass der Unfallbeteiligte den Unfall bzw. einen Schaden überhaupt bemerkt hat. Wer schon den Unfall bzw. den Schadeneintritt nicht wahrnimmt, kann sich nicht unerlaubt vom Unfallort entfernen.  Um zu einer Verurteilung zu gelangen, muss feststehen, dass der Unfallbeteiligte etwas bemerkt hat. Dies lässt sich öfters  r nicht oder jedenfalls nicht mit der für eine Verurteilung nötigen Sicherheit feststellen. Teilweise wird ein Sachverständiger herangezogen, der überprüft, ob aus technischer Sicht eine Bemerkbarkeit vorgelegen hat. Dabei wird unterschieden zwischen  akustischer Bemerkbarkeit, visueller Bemerkbarkeit und taktiler Bemerkbarkeit.


15. Darüber hinaus ist im Falle einer Anschuldigung auch immer die zivilrechtliche Forderung des Geschädigten zu prüfen. Kann die Unfallsituation überhaupt zu dem angegebenen Schaden geführt haben oder war dieser vielleicht schon vorher  am Fahrzeug und wird nun unberechtigt beanstandet?


16. Kontaktieren Sie mich telefonisch und nutzen Sie die Möglichkeit einer unverbindlichen vorläufigen Ersteinschätzung Ihres Falles.


Vertrauen Sie meiner Erfahrung in zahlreichen anderen gleichgelagerten Fällen. Ich weiss, worauf es ankommt, um Ihre Rechte zu wahren! 


17. Erste Hilfemaßnahmen gegenüber der Polizei: 

  • Vom Schweigerecht Gebrauch gegenüber der Polizei machen!  
  • Keine Selbstbeschuldigung! 
  • Keine Mithilfe bei der Überführung naher Angehöriger!